Harte Tritte ans Schienbein

Nigel Charnock zeigt sein Solo "Human Being" im Mousonturm

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Gott ist ein Transvestit. Sein Thron ist leer. Nimmt er doch darauf Platz, spreizt er garantiert anzüglich die Beine. Ist das Stück, in dem er spielt, Theater oder Tanz? Ein Musical gar, Cabaret oder Comedy von der Sorte Stand Up, jene englische Variante von virtuosen Wort- und Körperkünstlern, deren sarkastischem und selbst-ironischem Blick auf Land, Leben und Leute nichts entgeht? Der britische Schauspieler und Tänzer Nigel Charnock betritt in seinem Solostück "Human Being" die leere Bühne des Mousonturms mit langer Perücke, Sonnenbrille und hochhackigen Pumps. Ist das der Himmel, oder doch nur ein Theater will er wissen. Manchmal kann auch das Theater zum Himmel werden.

Charnocks Reise aber ist eine Reise durch die Hölle der Beziehungskisten. Es ist eine assoziative Auseinandersetzung mit dem Tod, gefügt aus persönlichen Anekdoten vom Tod des Vaters, aus Wunschphantasien, in denen er den Liebhaber, der ihn mit einer Frau betrogen hat, haßerfüllt mit dem Hammer erschlägt, über Krieg und Auschwitz und wieder zurück. Charnock surft dabei souverän durch die Genres, schüttelt Tanzeinlagen und Lieder ebenso locker aus dem Ärmel wie Wortkaskaden und Hamletzitate. Hart, zynisch, blasphemisch, geschmacklos und grotesk geht es dabei immer zu. Nur mit einer weißen Unterhose bekleidet, tanzt er mit einem Skelett, das einmal sein Freund war, und stellt dabei fest, daß die Beziehung wohl etwas abgekühlt sei.

Charnock singt vom Leben, von den harten Tritten ans Schienbein, springt ins Publikum, um nach attraktiven Liebhabern Ausschau zu halten, nur um lakonisch zu bemerken: "Wenn man jemandem auf den Kopf zusagt, ich finde dich attraktiv, dreht er sich rum und denkt, du spinnst". Die Menschen sind brutal. Sie töten mit ihren Gefühlen. "Human Being" ist eine ungebremste Geisterfahrt durch die eitrigen Wunden der Liebe, in denen Nigel Charnock mit spitzen Pfennigabsätzen erbarmungslos herumstochert. Autsch. Die Narben, die das Leben schlug - Charnock kratzt an ihnen herum, um sie endlich los zu werden. Daß das nicht geht, ist sein persönliches Pech und unser aller Glück. Nigel Charnock legt sich bloß und deckt sich zum Schutz mit Selbstironie sofort wieder zu. Nackte Babypuppen purzeln am Schluß von der Decke, und Charnock rafft sie in seine Arme, hebt sie empor, läßt sie erbarmungslos auf den Boden knallen und wirft sich selbst dazu. Wie ein Insekt liegt er auf dem Rücken, während eine Stimme vom Band herzergreifend trällert: "Is this being human enough?", Ist dieses Wesen menschlich genug? Aber natürlich.