Interview Frankfurter Küche

Ballettanz 1 Mar 2002German

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Mit ihren Stücken „Events for Television (again)“, Affects“ und „re(SORT)“ acancierten Tom Plischke/B.D.C. die meist diskutierteste Gruppe der deutschen Tanzszene. Nach der Auflösung der Gruppe im vergangenen Sommer, hat Thomas Plischke zusammen mit dem Theaterwissenschaftlerinnen Pirkko Husemann und Kattrin Deufert das Kollektiv „Frankfurter Küche (FK)“ gegründet, das Ende Januar seine Arbeit aufgenommen hat. Gerald Siegmund fragte nach dem Rezept.

Was ein Frankfurt Bad ist, wissen wir. Da steht die Badewanne in der Küche. Aber was steht in ihrer Frankfurter Küche? Pirkko Husemann: Noch nichts. Wir müssen erst einmal einkaufen gehen. Die Frankfurter Küche war die erste Einbauküche der Welt, die von Frau Schütte-Lihotzky im Bauhausumfeld entworfen wurde. Man findet sie noch in Wohnsiedlungen aus den 20er und 30er Jahren.

Thomas Plischke: Was uns daran interessiert, ist die Metapher vom Kochen. Bei uns ist alles hausgemacht. Von den Publikationen über die Projekte bis hin zur Pressearbeit halten wir alle Fäden in der Hand. Das hat natürlich auch mit dem Frust an den unterschiedlichen Institutionen, aus denen wir kommen, zu tun. Kattrin und Pirkko kommen von der Universität, ich vom Theater. Im Kreis der Produzenten gibt es nur wenige, die einem in Ruhe lassen, um wirklich das machen zu können, was man tatsächlich machen will.

Kattrin Deufert: Hinter dieser Arbeitsweise steht natürlich ein wenig die Utopie, nicht ein Stück der Identität jener Institutionen annehmen zu müssen, an denen man arbeitet, um sich freier bewegen zu können und die Kontrolle über die eigene Arbeit zu behalten. Wir nennen es „kritische Praxis“.

Nach der „Kritischen Theorie“ der Frankfurter Schule die „Kritische Praxis“ der Frankfurter Küche. Ihr sucht Euch also für jedes Projekt andere Partner und Aufführungsorte? Kattrin Deufert: Frankfurter Küche (FK) ist zunächst ein Label. Wir haben noch keinen festen Ort gefunden, wo wir die Küche installieren können, und wissen auch gar nicht, ob wir das wollen. Uns geht es um eine Verbindung von Theorie und Praxis. Wir sind keine Theater- oder Tanzgruppe, die ausschließlich im Theater arbeitet.

Pirkko Husemann: Das Kochen betont ja ein wenig das Vergängliche, Prozesshafte. Wir arbeiten mit verschiedenen Leuten in unterschiedlichen Konstellationen an verschiedenen Orten und nicht gezielt auf ein festes Format hin. Wir gehen von Fragestellungen aus und suchen uns dann den passenden Rahmen dafür aus.

Thomas Plischke: Das Material wird der Hauptuntersuchungspunkt. Erst dann entscheiden wir, was damit passiert.

Mit welche Zutaten kocht Ihr in der Frankfurter Küche? Kattrin Deufert: Es geht um die Trennung von Medienmaterial und Incidents als den bleibenden und den flüchtigen Arbeitsformen. Dabei können Publikationen, Texte, Audiomaterial oder Videos entstehen. Oder auch Events, die in Richtung Performance gehen können.

Thomas Plischke: Satt „Event“ oder „Performance“ haben wir Begriff „Incident“ geprägt. Da schwingt nicht soviel Kunst und Theatergeschichtsballast mit. Wenn ich ein Projekt „Performance“ nenne, komme ich sofort wieder in einen bestimmten Veranstalterzirkel, der mit bestimmten Erwartungen an das Projekt herangeht und andere Veranstalter ausschließt.

Thomas, nach der Auflösung des letzten Arbeitskollektivs B.D.C. gleich wieder ins nächste Kollektiv? Ist das gesund? Thomas Plischke: Nach den Erfahrungen mit anderen Konstellationen, haben wir beschlossen, erst mal zwei Jahre zusammenzuarbeiten. Während dieser Zeit werden sich die Interessen sicher ändern.

Werden auch die Arbeiten von Thomas Plischke mach B.D.C. unter dem Label FK stehen?

Thomas Plischke. Natürlich. Wenn Kattrin in Berlin einen Vortrag hält, firmiert sie auch unter Kattrin Deufert/FK.

Wie die Fragestellung aus, die Dich in deinem nächsten Soloprojekt „As You Like It (Die Kunst der Selbstverteidigung I)“ beschäftigt, das Ende März im Wiener Tanzquartier uraufgeführt wird?

Thomas Plischke: Es ist kein Solostück. Wir arbeiten und performen zu viert daran, auch wenn ich es dann choreographisch durchgestalte. Neben Kattrin und Pirkko ist noch Yasuo Akai hinzugekommen. Was uns dabei interessiert ist, mit dem Phänomen der Täuschung zu arbeiten. Einer Täuschung, die sehr subtil sein kann, die Erwartungshaltungen unterläuft und unterbricht. Wie kann ich Tanzmaterial, um das es hier geht, auf eine bestimmte Art organisieren, dass dabei die Antizipation der Zuschauer bearbeitet wird?