Phänomene der Täuschung

„Frankfurter Küche/FK“ zeigt „as you like it. (Die Kunst der Selbstverteidigung I)“ im Mousonturm

Frankfurter Allgemeine Zeitung / Rhein-Main 19 Apr 2002German

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Bis vor ein paar Jahren war es in zahlreichen Frankfurter Altbauwohnungen zu finden: das Frankfurter Bad, bei dem die Badewanne in der Küche ihren Platz fand. Frankfurter Küchen dagegen sind seltener. Von der Wienerin Grete Schütte-Lihotzky im Umfeld des Bauhauses entworfen worden, waren sie die ersten Einbauküchen der Welt. Man findet sein manchmal noch in Wohnsiedlungen der 20er und 30er Jahre. Mit dem Kollektiv B.D.C. und Stücken wie „events for television (again)“, Affects“ und „re(SORT)“ ist Thomas Plischke zum meistdiskutierten jungen Choreographen der deutschen Tanzszene avanciert.

Die Gruppe, die zwei Jahre lang am Frankfurter Mousonturm beheimatet war, hat sich vergangenen Sommer jedoch aufgelöst. Mit den Theaterwissenschaftlerinnen Kattrin Deufert und Pirkko Husemann hat Plischke nun das Arbeitskollektiv „Frankfurter Küche /FK“ gegründet, das nach wie vor von Frankfurt aus operiert.

Was die Gruppe an dem Label „Frankfurter Küche“ interessiert, ist die Metapher vom Kochen. „Bei uns ist alles hausgemacht“, lacht Thomas Plischke. „Von den Publikationen über die Projekte bis hin zur Pressearbeit halten wir alle Fäden in der Hand. Das hat auch mit dem Frust an den unterschiedlichen Institutionen zu tun, aus denen wir kommen. Im Kreis der Produzenten gibt es nur wenige, die einem in Ruhe lassen, um das machen zu können, was man tatsächlich will“. Dabei geht es ihnen zunächst darum, die Kontrolle über ihre Arbeit zu behalten und nicht, wie Kattrin Deufert, erklärt, von „vornherein ein Stück der Identität jener Institutionen annehmen zu müssen, an denen man arbeitet“. Die „Frankfurter Küche/FK“ verfolgt die Utopie einer kritischen Praxis.

Ihre Arbeitsergebnisse nennen sie „Incident“, ein Wort, das noch etwas von dem Zufälligen und Einmaligem transportiert, um das es ihnen bei ihrer Arbeit geht. Das Produkt, das sie einem Publikum vorstellen, wäre in diesem Sinne lediglich eine Unterbrechung des kontinuierlichen Arbeitsprozesses, ein vorläufiges Zwischenergebnis, an dem man andere teilnehmen läßt. Auf bereits etablierte Begriffe wie „Event“ oder „Performance“ wollte man, so Plischke, deshalb nicht zurückgreifen, weil sie zu viel „Kunst- und Theatergeschichtsballast“ mit sich herum tragen. „Wenn ich ein Projekt „Performance“ nenne, komme ich sofort wieder in einen bestimmten Veranstalterzirkel, der mit bestimmten Erwartungen an das Projekt herangeht“. Man wolle sich jedoch die Offenheit bewahren, zwischen den Formaten zu arbeiten. Das wesentliche sei die Arbeit am Material, und Pirkko Husemann ergänzt: „Wir arbeiten mit verschiedenen Leuten in unterschiedlichen Konstellationen an verschiedenen Orten und nicht gezielt auf ein bestimmtes Format hin. Wir gehen von Fragen aus und suchen uns dann den passenden Rahmen.“ Ob am Ende dann eine Aufführung, ein Video, ein Hörspiel oder gar eine Buchpublikation heraus kommt, entscheidet sich bei der Arbeit. Ihr Projekt „P.I.P. (P=Performance=Picture)“, das sie während eines Kongresses über Performance als Bild in Dresden aufgeführt haben, wird auch Teil der FK-Lounge sein, die die Gruppe am 26. und 27. April im Mousonturm veranstaltet. Im Juli ist in den Räumen der Frankfurter Sparkasse 1822-Galerie das Incident „I Like Erika and Erika Likes Me“ geplant, eine Anspielung auf die legendäre Kunstaktion von Joseph Beuys „I Like America and America Likes Me“ aus dem Jahr 1974. Der Frankfurter Küche geht es dabei um die Frage, was von einer Performance im kollektiven Gedächtnis bleibt und welche Teile davon ein Eigenleben im Nachleben entwickeln.

Bei ihrem ersten „Incident“ „as you like it (Die Kunst der Selbstvberteidigung I)“ werden Plischke, Deufert und Husemann verstärkt durch den Musiker Yosuo Akai, der am Klavier populäre Lieder in einschmeichelnde Barmusik verwandelt. Plischke etabliert zunächst ein selbstbezügliches System aus Tanz-, Text- und Videomaterial sowie einigen optischen Elementen, das er am Ende zum Zuschauer hin öffnet. So werden zwei Tanzphrasen, begleitet von Textmaterial, von allen vier Darstellern nacheinander getanzt und dabei verändert. „Was uns dabei interessiert“, erklärt der Choreograph seine Herangehensweise, „ist die Arbeit mit dem Phänomen der Täuschung. Einer Täuschung, die sehr subtil sein kann und Erwartungshaltungen unterläuft und bricht“. Mit „as you like it“ setzt Plischke sein Interesse an der Frage nach dem Verhältnis von Bühne und Zuschauerraum fort, indem er den Blick auf die Bühne zum Thema macht. Das Stück hatte Ende März am Wiener Tanzquartier Premiere und wird nun am 19. und 20. April in einer veränderten, den räumlichen Bedingungen angepassten, Version in der Studiobühne des Mousonturms zu sehen sein.