Gedanken in Bewegung

Festival ‘euroVision’: Emio Greco & PC im Mousonturm

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Im zeitgenössischen Tanz hat das Konzept Konjunktur. Mit bewußten Anleihen bei der bildenden Kunst wird die Idee zum eigentlichen Kunstwerk erhoben, um Fragen an die Kunstform zu richten, die auch heute noch nur allzu gerne mit „Natürlichkeit“ verbunden wird. Bei seinem Weg aus der Unmündigkeit geht dem Tanz oft das publikumswirksame Tänzerische verloren. Um dem entgegenzuwirken, möchte das Künstlerhaus Mousonturm in seinem Festival „euroVision“ möglichst unterschiedliche Ansätze, Tanz zu produzieren und zu präsentieren, vorstellen. Den Auftakt machten jetzt der Choreograph und Tänzer Emio Greco und der Regisseur Pieter C. Scholten, die seit 1995 gemeinsame Projekte realisieren und jetzt unter dem Logo Emio Greco & PC firmieren.

Die Kunst von Emio Greco liegt irgendwo unentschieden zwischen Konzept und reinem Tanz. Der Tänzer, der in der Vergangenheit in Stücken von Jan Fabre und Saburo Teshigawara brillierte, untersuchte bislang seinen Körper nach möglichst direkten Wegen, Gedanken in Bewegung umzusetzen, um Kopf und Körper als Einheit erfahrbar zu machen. In seinen beiden Soli „Bianco“ und „Rosso“, die bereits im Mousonturm zu sehen waren, führte das nicht selten zu manieristischen Überformungen von Gesten, die eher unfreiwillig komisch waren. Ganz frei von verzappelten Bewegungen, deren Stoßrichtung nie ganz klar wird, ist auch „Double Points: One & Two“ nicht. Wenn Greco den Kopf schüttelnd und mit den Armen rudernd das Gesicht zur Grimasse verformt, als wolle er sprechen, ist die Grenze zum expressiven Kitsch überschritten. Seine Beine fangen an zu zittern, um die starre Form seines Körpers aufzulösen. Emio Greco reduziert Bewegung immer wieder auf den Moment ihrer Geburt, wenn sie am Körper sichtbar wird, ein Moment, in dem noch alles offen und möglich scheint. Das ist sein großes Potential als Tänzer. Doch ebenso plötzlich, wie das Zittern eingesetzt hat, mündet es leider nur erneut in vorgefertigte Formen.

Der Abend besteht aus zwei Teilen: einem Solo zu Maurice Ravels „Bolero“, von Greco selbst getanzt, das sich an seine beiden anderen Soli nahtlos anschließt, und einem Duo mit Bertha Bermudez Pascual, das trotz der ruppigen elektronischen Soundcollage von Wim Selles für Greco ungewöhnlich harmonisch ist. Auf einer mit zwei weißen Strichen markierten schmalen Bahn, die in der Breite ziemlich genau die Länge seines Körpers mißt, bewegt sich Greco vom Bühnenhintergrund zur Rampe. Ein Lichtstreifen fährt die Bahn entlang, fällt vor seine Füße und läßt den Tänzer zunächst nur im Zwielicht erscheinen. Greco streckt einfach seine Hände nach vorne, die, vom Licht erfaßt, zu leuchten beginnen. Mit faszinierenden kleinen Gesten, die er posenhaft ausstellt, beginnt der Tanz, der mit zunehmender Intensität der Musik immer dramatischer wird. Das Stück entfaltet seine Dynamik im Wechselspiel einer bis zur Steifheit des Körpers gesteigerter Kontrolle der Energie und weichen, flüssigen Wellenbewegungen, die den Körper auf der Musik dahingleiten lassen. Ein unaufhaltsamer Sog zieht ihn nach vorne, dem er kämpferisch zu widerstehen sucht. Greco betont das Militärische der Musik, die hier in einem finalen Schuß endet, der dann in Feuerwerksgeräusche übergeht. Sein Tanz entfaltet eine unabweisbare Fatalität, die ihn zum Schluß beinahe über die Rampe hinauskatapultiert.

Auch das Duo im zweiten Teil beginnt kämpferisch. Emio Greco und Bertha Bermudez Pascual, die einst im Ensemble des Ballett Frankfurt tanzte, stehen auf unterschiedlichen Seiten der Bühne. Mit dem Rücken zum Publikum steht die Tänzerin auf einem Bein und beginnt zu battieren, was wenig später von Greco aufgegriffen wird. Was aussieht wie etwas überdehnte Fouettées im Stehen, ist nur eine Anleihe beim Vokabular des klassischen Balletts, das hier zwanglos in das von der Atmung gesteuerte Bewegungsrepertoire einfließt. Vielleicht nicht ganz zufällig. Denn auch wenn ihre Körper immer wieder frontal gegeneinander gerichtet sind, führen die beiden doch die gleichen Bewegungen aus.Ihr Duo wird dominiert von langen synchron getanzten Passagen, bei denen die Körper der Tänzer eng neben- oder hintereinander geführt werden. So entsteht eine große Vertrautheit, die das Stück auf Dauer aber auch gleichförmig aussehen läßt. Emio Greco und Berha Bermudez Pascual sind wunderbare Tänzer. Und das ist es auch, was den gesamten Abend souverän über seine Schwächen rettet.